Kolumnen

Ei der Daus

Saarbrücker Zeitung, 12. Januar 2021

Manch schönen Worten droht der Absturz in die Vergessenheit, weil sie niemand mehr in den Mund nimmt oder aus der Feder fließen lässt. Fürbass gehört dazu.

Was für ein wunderliches Wort das ist: fürbass. Kürzlich ist es mir wieder vor Augen gekommen, das hat mich erinnert, dass ich es mag. Kaum noch jemand benutzt es ja, dabei klingt es so freudig, beschwingt und frohgemut. Irgendwie nach Frühling, danach sehnen wir uns doch alle. Gelesen habe ich es in Wolfgang Hildesheimers kurzer Erzählung „Der Riese“, wo ein wackerer und fleißiger, doch leicht beschränkter Bauernsohn „ein gar lustig Liedchen pfeifend rüstig fürbass schritt“, eben diesen Riesen zu töten, um dafür die Hand der Königstochter zu bekommen. Die übrigens deren Papa gar nicht verehelichen will. Bloß den Riesen möchte er los sein und dafür eventuell eine Rente oder so spendieren. Sei dem, wie es sei. „Fürbass“ und seine Abwandlungen kommen aus dem Alt- bzw. Mittelhochdeutschen, zusammengesetzt aus „für“ und „bass“, was „besser vorwärtsschreiten“ bedeutet und was hübsch Musikalisches hat. Wenn das nicht befreiend ist, forsch und unmaskiert einherzuwandern. Der Bauernsohn geht seiner guten Laune allerdings bald verlustig, weil er sich zwar erst noch, „Ei der Daus“ rufend, wundert, als er eine Pfauenfeder und einen Mühlstein findet. Dass er letzteren dem schnarchenden Riesen ins Maul wirft, bekommt ihm jedoch schlecht, der  verständlicherweise verstimmte Hüne verspeist den Jüngling. Besser geht’s dem, der gar nichts tut, außer dekorativ in einer Wiese zu liegen: seinem faulen Bruder. Weil ihn die des Wegs kommende Königstochter wohl ansehnlich findet, legt sie sich recht pragmatisch daneben, schon ist das Glück der beiden gemacht. Manche Mädchen sind fix, auch der König ist begeistert, und so könnte alles gut sein, nur den Riesen hat man leider vergessen. Was lehrt diese Geschichte: Dass sich Fleiß am besten mit Verstand paart, auch Dummerjane munden und ein Riesenappetit selbst vor einer kompletten Hochzeitsgesellschaft nicht halt macht…Und die Moral? Nicht wirklich auszumachen. Ei der Daus!

PS: Zu finden ist diese amüsante Mär in dem bereichernden Band: „Ratzfatz. Die schnellsten Vorlesegeschichten der Welt“ des Diogenes Verlags mit famosen Illustrationen von Tomi Ungerer.

Kolumnen

Obacht -Buchschlag!

Saarbrücker Zeitung, 29. Dezember 2020

 Manchmal stürzen Bücher aus Regalen. Wer sie zur Hand nimmt, sich erinnert, der macht womöglich eine Reise – vielleicht in seine Kindheit, vielleicht ins pure Abenteuer.